Franz Ladzik
Mein Großvater wurde 1912 in Bochum geboren und wohnte im Stadtteil Hofstede. Er war Bergmann auf der Zeche Hannibal, fuhr unter Tage, arbeitete hart, war genügsam und liebenswert.
Franz wohnte mit seiner Familie in den Sechzigern in einem alleinstehenden alten Häuschen in der Bleckstrasse mit einem recht großen Garten. Dort hielt er Hühner und Tauben, die hin und wieder mal auch im Kochtopf landeten. Später bezogen sie eine kleine Mietwohnung in der Riemker Straße.
Highlight der Woche war immer die Radioreportage der Fußballbundesliga auf WDR II ab 15:00 Uhr. Seinerzeit wurden noch alle Spiele zeitgleich ausgetragen. Nach Abpfiff wurde fix mit Stift und Papier die neue Tabelle errechnet, natürlich schneller als im Radio verkündigt und immer korrekt. Als Belohnung gab es dann zum Bierchen den guten Doppelwacholder von Eversbusch.
Zur Pilzzeit ging es regelmäßig ‚in die Pilze‘, Wiesenchampions, Steinpilze und Pfifferlinge wurden gesammelt und anschließend zuhause in der Pfanne zubereitet mit einem Kotelett verspeist.
Franz starb 1982 an Lungenkrebs.
Elisabeth Finke
Meine Oma väterlicherseits erblickte 1914 ebenfalls in Bochum als eines von 6 Kindern das Licht der Welt. Sie war Hausfrau und arbeitete zusätzlich auf dem Wochenmarkt in Bochum-Riemke als ‚Milchfrau‘, verkaufte dort Milch und Butter. Ich habe Sie als ruhige und etwas distanzierte Person in Erinnerung. In der Familie wurde sie allgemein ‚Lisbeth‘ oder ‚Mäuschen‘ genannt.
Sie brachte 1937 ihren Sohn Wolfgang zur Welt, 1942 folgte Werner. Als Hausfrau hatte Sie alle Hände voll zu tun ihre beiden Söhne satt zu bekommen. Beide arbeiteten als Maurer bzw. Anstreicher viel und hart und konnten so manche Portion verdrücken, dem Vernehmen nach u.a. eine halbe Buttercremetorte zum Frühstück. Auch Ehemann Franz verließ mit einem gut gefüllten ‚Henkelmann‘ allmorgendlich das Haus in Richtung Zeche.
In der Küche stand immer eine Kanne mit Hagebuttentee, kulinarische Highlights waren damals ‚saure Nierchen’ und die weltbeste Buttercremetorte überhaupt.
Elisabeth tat sich nach dem Tod ihres Mannes etwas schwer, der Lebenswille ließ merklich nach. Elisabeth starb 1992.
Reinhold Bouscha
Reinhold wurde 1919 in Tuhanec in der Tschechischen Republik geboren, war ebenfalls Bergmann unter Tage, aufgrund eines Arbeitsunfalls aber relativ früh arbeitsunfähig. In Plauen / Vogtland (ehemalige DDR) lernte er seine spätere Ehefrau Hildegard kennen.
Ende der 50er flüchtete er samt Ehefrau und den 3 Kindern in den Westen. Nach einigen Durchgangsetappen landeten sie schließlich ebenfalls in Bochum, wohnten in der Nähe des Tippelsberg.
Reinhold war ein begnadeter Bastler, baute Drachen, Windmühlen und selbst Segelschiffe ohne jegliche Vorlagen oder Baupläne. Ich kann mich noch gut an einen Kastendrachen erinnern, den wir nur mit einer ausgeklügelten Seilwinde halten konnten, solch eine Zugkraft hat er entwickelt.
In Bad Driburg legte sich Reinhold einen kleinen Schrebergarten zu, pflanzte Kartoffeln, Bohnen, Erdbeeren u.s.w. für den Hausgebrauch an.
Auch in Bad Driburg wurde weiter gebastelt, im Keller hat er sich einen kleinen Bastelkeller zugelegt und viele Tierfiguren geschnitzt. Ende der 70er habe ich von ihm das Schach spielen erlernt, kurz darauf schnitze er mir ein Schachbrett aus edelstem Holz.
Reinhold starb 1999 in Bad Driburg an Demenz, ist beerdigt in Ortsteil Reelsen.
Hildegard Müller
Die ‚wilde Hilde‘ war körperlich klein, aber ein echtes Energiebündel. Geboren in 1920 als Tochter eines Schumachers in Clausnitz im Erzgebirge.
Mit Führerschein und einem VW Käfer war sie in Bochum mobil, später in Bad Driburg war ein knallroter Ascona ihr Gefährt. Opa Reinhold selbst hatte keinen Führerschein, fühlte sich auf dem Beifahrersitz aber meist berufen verbal zu unterstützen, so hatten die Fahrten mit Beiden oft Unterhaltungswert. Hilde liebte die Farbe rosa, Kleidung und selbst die Tapeten waren entsprechend. Wenn die Rente ausbezahlt worden ist wurden wir regelmäßig beschenkt, alles grundsätzlich eingewickelt in Alufolie. Für uns Kinder gab es meist die gute Goldnuss Schokolade mit dem Sichtfenster.
Nach einer Kur in Bad Driburg waren sie so von der Gegend begeistert, dass sie kurze Zeit später dort hin zogen. Meine Eltern folgten 1974.
Wir wohnten ca. 1,5 km auseinander, so habe ich beide regelmäßig besucht. Neben Basteln und Schachspielen mit Opa Reinhold wurde auch regelmäßig Scrabble mit beiden gespielt, über die Zulassung der oft kreativen Wortschöpfungen wurde leidenschaftlich diskutiert.
Hausmittel meiner Oma bei Erkältungen war warmes Export-Bier, die Dose erwärmt im Topf mit heißem Wasser.
Oma Hilde starb nur einen Tag später als Reinhold, ebenfalls an Demenz.